Francisco de Goya (1746-1828), Saturn, einen seiner Söhne verschlingend, 1821-1823.

Wandgemälde auf Leinwand übertragen, 143,5 x 81,4 cm.

Museo del Prado, Madrid.

 

 

Einleitung

 

 

Der am 11. Mai 1904 als Sohn des Salvador Dalí Cusi und seiner Frau Felipa Domenech in Figueres geborene Salvador Felipe Jacinto Dalí i Doménech war einer der berühmtesten Künstler und, gemeinsam mit seiner Frau Gala, der narzisstischste Selbstdarsteller des 20. Jahrhunderts. Doch auch Igor Strawinsky (1882-1971) hatte 1970 festgestellt, dass Publizität „… alles ist, was von den Künsten übrig bleibt.“ In seinen besten Arbeiten erforschte Dalí aufgrund seiner umfassenden Ausbildung und einer heute nicht mehr selbstverständlichen vollendeten Beherrschung traditioneller, gegenständlicher Maltechniken vielseitige und beständige Bewusstseinszustände. Viele Menschen fühlen sich bei der Betrachtung seiner Bilder allein aufgrund der kontrollierten Gegenständlichkeit, die in seinen späteren Jahren sicherlich half, eine nachlassende Qualität zu überspielen, zutiefst berührt.

Dalís weltweiter Popularität haftete zumindest in seinen besten, die kulturellen, sexuellen und sozialen Werte eben dieser ihn lobenden Gesellschaft attackierenden Arbeiten häufig etwas unübersehbar Spöttisches, Scharfzüngiges an. Nicht nur für den Surrealismus, der ja angetreten war, die rationale Basis der Gesellschaft zu untergraben, sondern für die moderne Kunst insgesamt gilt ja nach wie vor die Ansicht, dass sich ein Künstler rebellisch zur Gesellschaft verhalten muss. Aber Dalís Rebellion wurde im Lauf der Jahre und mit wachsendem Erfolg immer dünnblütiger.

Der führende Kopf der Surrealisten war der Dichter und Theoretiker des Surrealismus André Breton (1896-1966), der sich später veranlasst sah, Dalí als bloßen Schauspieler und Verräter an den surrealistischen Ideen anzuprangern und ihn in den 1940er Jahren aus der Bewegung auszuschließen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als Dalís Kunst sich in diesen Jahren grundlegend von seinen früheren Arbeiten mit der Behandlung der Realität sowie ihrem erschreckenden und irritierenden Aussehen abgewandt hatte. Seine nachlassende, verblassende Rebellion dieser Jahre wirft aber auch ein Licht auf sein Verhalten als Künstler und auf die ihn aushaltende Kultur. Ein Thema, das es durchaus wert ist, untersucht zu werden – auch wenn man nur erfahren möchte, welcher Mensch hinter dem Mythos Dalí steckt.

Sein Vater, Don Salvador Dalí y Cusí (1872-1952) war ein angesehener und recht energischer Notar im katalonischen Figueres und zählte dank dieser bedeutenden und respektablen Position zum Establishment der Stadt. Dalí erhielt den Namen seines neun Monate zuvor gestorbenen älteren Bruders, für dessen Tod, einem Gerücht zufolge, der Vater verantwortlich gewesen sein soll. Als Todesursache wurde zwar ein Magen- / Darmkatarrh angegeben, nach Dalí aber soll er tatsächlich an einer auf einen Schlag seines Vaters auf den Kopf des etwa zweijährigen Knaben zurückzuführenden Gehirnhautentzündung gestorben sein. Was auch immer die tatsächliche Todesursache gewesen sein mag, der Tod des Kindes hinterließ bei den Eltern tiefe Schuldgefühle, die dafür sorgten, dass Salvador bei allem, was er tat oder sagte, mit seinem älteren Bruder verglichen und, viel schlimmer noch, als dessen Wiedergeburt und nicht als neuer, selbstständiger Mensch behandelt wurde.