10. Michelangelo, Die Erschaffung der Sterne und
der Planeten (acht Joche des Gewölbes), 1508-1512.

Fresko. Sixtinische Kapelle, Vatikan.

 

 

Erotische Kunst oder Pornografie?

 

 

Der Begriff der erotischen Kunst ist von einem Halo irrlichternder Begriffe umgeben. Kunst oder Pornografie, Sexus oder Eros, Obszönität oder Originalität – diese unscharfen Bestimmungs- und Abgrenzungsversuche vermengen sich so sehr, dass eine objektive Klärung beinahe unmöglich scheint.

Wann kann man von „erotischer Kunst“ sprechen?

Jeder Sammler erotischer Kunst hat mit Anbietern schon die Erfahrung gemacht, dass ihm, der immer das Beste und Höchste erwartete, Arbeiten offeriert wurden, die in jeder Hinsicht ungenügend waren. Und das trotz der Versicherung des Anbieters, etwas Bedeutsames auf diesem Sammelgebiet gefunden zu haben.

Manchmal hat man den Eindruck, dass das Auge angesichts der freien Thematik ästhetisch verdummt, sodass ein ansonsten hochgebildeter Mensch ein Werk für bedeutend hält, das vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen minderwertig ist.

Und umgekehrt gilt, dass trotz seiner künstlerischen Qualität ein Meisterwerk allein auf Grund seiner Thematik für zweitklassig gehalten wird. Fest steht jedoch: Die Darstellung des Geschlechtaktes ist nicht gleich schon erotische Kunst. Ebenso wenig wie ein anstoßerregender, pornografischer Gegenstand nur wegen seines als unschicklich empfundenen Inhalts seinen Kunstcharakter verliert.

Auch die Ansicht, Werke, die zur geschlechtlichen Erregung hervorgebracht wurden, könnten wegen ihrer niederen Absicht nicht Kunst sein, ist irrig. Unterscheidet sich erotische Kunst von der Pornografie vielleicht durch die Fiktionalität? Aber auch die Pornografie ist ein Produkt der Fantasie und folgt nur beschränkt der sexuellen Wirklichkeit.

Sie ist, wie Gunter Schmidt feststellte, „…konstruiert wie sexuelle Fantasien und Tagträume, so unwirklich, so größenwahnsinnig, so märchenhaft, so unlogisch und auch so stereotyp“.

Ohnehin hat sich, wer die Alternative „Kunst oder Pornografie“ aufstellt, auf Grund seiner moralisch wertenden Haltung schon gegen das Pornografische entschieden, mit der Folge, dass das, was dem einen Kunst ist, dem anderen als ein Machwerk des Teufels erscheint.

Die Vermengung von Fragen der Ästhetik mit Fragen des Anstands und der Sittlichkeit lässt jeden Klärungsprozess von vornherein scheitern. Nähme man das Wort „Pornografie“ in seiner ursprünglichen, griechischen, rein deskriptiven Bedeutung, nämlich als „Huren-Schreibe“, also als Bezeichnung eines aufs Geschlechtliche bezogenen Textes, dann könnte man erotische Kunst und Pornografie durchaus gleichsetzen, so weit es um den dargestellten Inhalt geht.

Diese Definition käme einer Rehabilitierung des Begriffes „Pornografie“ gleich. Wie zeitabhängig die wechselnde Bewertung erotischer Kunst ist, zeigt die Übermalung der Figuren von Michelangelo Buonarrotis „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle.

Während der Renaissance galt Nacktheit nicht als obszön, und folglich sah der Auftraggeber, Papst Clemens VII. (1478 bis 1534), in Michelangelos (1475 bis 1564) Ausführung nichts Unsittliches. Sein Nachfolger dagegen, Papst Paul IV. (1476 bis 1559), beauftragte einen Maler, das „Jüngste Gericht“ mit Hosen zu versehen!