1. Monet – die Person

Impression, Sonnenaufgang, 1873. Öl auf Leinwand, 48 x 63 cm. Musée Marmottan Monet, Paris.

Nach den herrschenden ästhetischen Kriterien war das überhaupt kein Gemälde, sondern eher eine Art Skizze in Öl, rasch hingeworfen, um den flüchtigen Augenblick einzufangen, in dem ein neuer Tag anbricht. Offensichtlich war der Titel Blick auf Le Havre für dieses Bild denkbar ungeeignet, schon weil die Stadt Le Havre auf ihm gar nicht zu sehen war.

Gustave Geffroy, ein Freund und Biograf von Claude Monet, zeigt in seiner Monografie über den Künstler zwei darstellende Porträts von Monet.

Auf dem ersten, welches von einem unbedeutenden Maler angefertigt wurde, ist Monet 18 Jahre alt.

Ein schwarzhaariger junger Mann in gestreiftem Hemd sitzt rittlings auf einem Stuhl, auf dessen Lehne seine angewinkelten Arme ruhen.

Die Pose drückt Unbefangenheit und Lebendigkeit aus, sein Gesicht, das von bis an die Schultern reichenden Haaren umrahmt wird, ist von Wille (Mundlinie und Kinn) und Unruhe (in den Augen) gekennzeichnet.

Der zweite Teil des Buches von Geffroy wird mit dem Fotobildnis des 82-jährigen Monet eingeleitet.

Ein stämmiger Alter mit weißem Vollbart steht auf weit gespreizten Beinen sicher da.

Monet ist ruhig und weise, er kennt den Wert der Dinge und glaubt an die unsterbliche Kraft der Kunst.

Nicht ohne Grund wünschte er, mit der Palette in der Hand vor einem Wandgemälde aus der Folge Seerosen im Hintergrund zu posieren.

Eine ganze Reihe von Porträtdarstellungen Monets ist bis heute erhalten geblieben: Selbstbildnisse, Werke von Freunden, unter anderem von Édouard Manet und Pierre-Auguste Renoir, und Fotoporträts von Étienne Carjat und Nadar, die die Gesichtszüge Monets in den verschiedensten Perioden seines Lebens festhalten.

Es sind ebenfalls unzählige Beschreibungen des Äußeren von Monet überliefert. Diese häuften sich besonders, nachdem der Künstler berühmt wurde und Schriftsteller und Journalisten Bekanntschaft mit ihm suchten.

Wie stellt sich uns Monet nun dar? Auf einer Fotografie aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ist Monet schon kein Jüngling mehr, sondern ein reifer Mann mit dichtem schwarzem Schnurr- und Backenbart.

Die Stirn wird leicht von kurz geschnittenen Haaren bedeckt. Der Blick der kastanienbraunen Augen ist äußerst lebendig, sein Gesicht drückt Selbstsicherheit und Energie aus.

Das ist Monet zur Zeit des angespannten und kompromisslosen Kampfes um neue ästhetische Ideale.

Ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1886 zeigt ihn mit Barett. Genau zu dieser Zeit lernte Geffroy den Künstler auf der Insel Belle-Île an der Südküste der Bretagne kennen.

„Auf den ersten Blick“, so erinnert sich der Schriftsteller, „hätte ich ihn für einen Seemann halten können, Jacke, Stiefel und Hut hatte er fast dieselben an wie auch sie. Er zog sie an, um sich vor dem Küstenwind und dem Regen zu schützen.“

Einige Zeilen weiter schreibt Geffroy: „Dies ist ein starker junger Mann mit Sweater, Barett, wirrem Bart und glänzenden Augen, die mich sofort durchdrangen.“

Im Jahre 1919 wurde Monet, der fast wie ein Einsiedler in Giverny, nicht weit von Vernon an der Seine lebte, von Fernand Léger besucht.

Mit dabei war der Kritiker Ragnar Hoppe, der ihn dann so beschrieb: „ein mittelgroßer Herr mit Panamahut und in einem eleganten Anzug englischen Schnitts […]

Er hatte einen großen weißen Bart, ein rosafarbenes Gesicht und kleine Augen, die lustig und munter, mit einer Spur von Misstrauen, dreinschauten. […]“

Die literarischen und gemalten Porträts zeigen Monet als einen unbeständigen, veränderlichen und unruhigen Menschen.

Er konnte den Eindruck eines Mutigen und Verwegenen hervorrufen, konnte aber auch (besonders in der zweiten Lebenshälfte) selbstsicher und ruhig erscheinen.

Unbekannter Künstler (zunächst als Selbstporträt angesehen, später John Singer Sargent oder Berthe Morisot zugeschrieben), Monet in seinem Atelier, vor der Küstenstraße am Cap Martin, von Menton aus gesehen, wahrscheinlich 1884. Öl auf Leinwand, 61 x 50 cm. Musée Marmottan Monet, Paris.

Fischerboote, Teilstudie zu Der Hafen von Honfleur, 1866. Öl auf Leinwand, 45 x 55 cm. Privatsammlung, USA.

Doch die Ruhe und Selbstbeherrschung Monets waren nur äußere Eindrücke. Seine Jugendfreunde, Frédéric Bazille, Pierre-Auguste Renoir, Paul Cézanne und Édouard Manet sowie die ihn in Giverny besuchenden ihm nahestehenden Menschen, in erster Linie Gustave Geffroy, Octave Mirbeau und Georges Clemenceau, wussten sehr gut, welchen Anfällen quälender Unzufriedenheit und peinigender Zweifel Monet unterlag.

Diese ständig zunehmende Erregung und das Zerwürfnis mit sich selbst fanden dann ihren Durchbruch in unübersehbaren, spontanen Handlungen, wobei Monet Dutzende von Ölgemälden vernichtete, die Farbe abkratzte, Bilder in Stücke zerschnitt, sie manchmal sogar verbrannte.

Der Kunsthändler Paul Durand-Ruel, mit dem Monet durch einen Kontrakt verbunden war, erhielt von ihm eine Vielzahl von Briefen mit der Bitte, die Abgabefrist für die Bilder zu verlängern.

Monet berichtete, dass er begonnene Studien „nicht nur abkratzte, sondern sie auch einfach zerriss“, dass es, damit er zufrieden wäre, notwendig sei, Ausbesserungen vorzunehmen, dass die erreichten Ergebnisse „unverhältnismäßig zur aufgewendeten Mühsal“ seien, dass er „in schlechter Stimmung“ sei und „zu nichts tauge“.

Monet war zu mutigen, von hohem Bürgersinn durchdrungenen Taten fähig, gleichzeitig zeigte er aber auch Kleinmut und Inkonsequenz. Im Jahre 1872 besuchte er zusammen mit dem Maler Eugène Boudin den Abgott seiner Jugend, Gustave Courbet, im Gefängnis.

Eine solche Handlung, so könnte es scheinen, war nicht weiter bedeutsam, unter den Bedingungen der allgemeinen Verfolgung aber, der der Kommunarde Courbet ausgesetzt war, war es eine moralisch mutige Tat. Auch hinsichtlich des Angedenkens an Édouard Manet trat Claude Monet auf wie sonst keiner aus der Umgebung des ehemaligen Anführers der Schule von Batignolles.

Als er im Jahre 1889 vom amerikanischen Künstler John Singer Sargent erfuhr, dass das Meisterwerk Olympia von Manet eventuell in die Vereinigten Staaten verkauft werden würde, wandte sich Monet an die französische Intelligenz mit dem Aufruf, Geld zu sammeln, um die Olympia zu kaufen und sie dem Louvre zu übergeben. In den 90er Jahren, zur Zeit der Affäre Dreyfus, stand Monet auf der Seite der Dreyfusarden und war vom Mut Émile Zolas begeistert.